Wirtschaftliche Aktivitäten des Stiftes

Quelle: wikimedia commons Arnsberg_Kloster_Rumbeck_FFSN-2930 Michael Kramer

Die wirtschaftlichen Aktivitäten
des Prämonstratenserinnenstiftes Rumbeck

Im Jahr 1185 schenkt Graf Heinrich I. von Arnsberg mit Bewilligung seiner Söhne Heinrich und Gottfried dem von ihm Jahr 1170 gegründeten Prämonstratenserstift (- kloster) Wedinghausen den alten Amts- oder Haupthof Rumbeck, ein großherziges Geschenk, vielleicht aber auch nachwirkende „tätige Reue“ für den von ihm begangenen Brudermord.
Statt den geschenkten Haupthof für den Lebensunterhalt seiner Chorherrengemein-schaft zu nutzen, widmete Wedinghausen ihn zwischen 1185 und 1190 zum Prämonstratenserinnenstift Rumbeck um, dessen „Vaterabt“ der jeweilige Prälat von Wedinghausen war.
Die Schenkung war großzügig; der Haupthof, dem mehrere Unterhöfe, z. B. der Hof „Neinohle“, heute „Neyl“ zwischen Rumbeck und Oeventrop, unterstanden, umfasste 700 Morgen Acker- und Weideland sowie 2.900 Morgen Wald (nach heutiger Berechnung 175 und 725 Hektar).
Der Haupthof Rumbeck blieb in den folgenden Jahrhunderten weiterhin ein großer Wirtschaftshof, genutzt zum Lebensunterhalt der Schwestern und des Kloster¬personals (zeitweilig lebten im Stift Rumbeck 62 erwachsene Personen). Es erwies sich jedoch schon bald, dass seine Erträgnisse für diesen Zweck nicht ausreichten. So waren die von Wedinghausen für die Pflege des geistlichen Lebens und für die Wirtschaftsleitung eingesetzten Prioren, später Pröpste (in der kirchlichen Hierarchie ein „Prälat“ mit Brustkreuz und Ring), dankbar für kleine und größere Schenkungen von frommen Bürgern. Viele Rumbecker Chor- und Laienschwestern entstammten dem westfälischen Landadel oder Bauerngeschlechtern. Da lag die Übereignung von Grundbesitz näher als die Zuwendung von Bargeld. Obwohl derartige Landübertragungen üblich waren (so auch in Wedinghausen und Oelinghausen), erlaubte im Jahr 1313 Papst Clemens V. am Papstsitz in Avignon dem Stift Rumbeck ausdrücklich, diese Schenkungen als Eigentum zu übernehmen. So kam im Laufe der Jahre eine „Stückländerei“ im Sauerland und in der Soester Börde zustande. Die Pröpste bemühten sich, die einzelnen verstreuten Landstücke durch Tausch zusammenzufügen oder sie zu verkaufen und mit dem Erlös kleinere oder – später – größere Höfe zu erwerben.
Die Pächter dieser Höfe zahlten ihre Pacht nicht mit Bargeld, das damals noch selten war, sondern in Naturalien (Gerste, Hafer, Roggen, selten Weizen; dazu Äpfel und Birnen, Schweine, Hühner, Gänse usw.) und – zunehmend – in Dienstleistungen (Saat-, Mäh- und Heutage, Gestellung von Pferden und Fuhrwerken oder sonstige Handreichungen). Auf diese Weise konnte das Stift Rumbeck die Personalkosten zumindest in den „Hoch-Zeiten“ des landwirtschaftlichen Jahres (Saat – Ernte – Saat) gering halten, denn auch damals arbeiteten die ca. 30 Bediensteten des Stiftes nicht für „Gotteslohn“.
Die Pacht der einzelnen Höfe wurde zu festgelegten Terminen entweder direkt nach Rumbeck oder – überwiegend – nach Soest und Werl zu den „Schulten“, Pächter größerer Rumbecker Höfe, geliefert. Diese überwachten die pünktlichen Zahlungen (z.B. zu „Martin“ = 11. November) und lieferten die Erträgnisse – gegen geringes Entgelt – nach Rumbeck.
Häufig gerieten die Pächter – besonders in Kriegszeiten – mit ihrer Pacht in Rückstand. Im Gegensatz zur häufig geäußerten Ansicht, die Klöster und Stifte hätten ihre Pächter „geknechtet“, haben die Pröpste von Rumbeck viel Langmut und Verständnis gezeigt. Mehrfach gewährten sie in derartigen Situationen, die wir heute „ausweglos“ nennen würden, den Pächtern mit Darlehen Unterstützung in der Hoffnung, es würde sich damit die wirtschaftliche Situation zum Besseren wenden. In der Regel waren diese Unterstützungen erfolglos, sodass das Pachtverhältnis – manchmal erst viele Jahre nach Beginn des Pachtrückstandes – gelöst werden musste, hin und wieder auch mit gerichtlicher Hilfe.
Das war für die Betroffenen ein herber Schlag, denn oft war der Hof seit Generationen immer wieder an dieselbe Familie verpachtet, sodass diese sich – allerdings zu Unrecht – als „Eigentümer“ des Hofes betrachtete.

Die Nachfolge in der Pacht wurde genauestens beobachtet.
Wollte z.B. die Ehefrau eines verstorbenen Pächters erneut heiraten und bat um Aufrechterhaltung des – mit ihrem verstorbenen Ehemann geschlossenen – Pachtverhältnisses, prüften die Rumbecker Pröpste sehr genau, ob der neue Ehemann auch fähig sei, den Hof gewinnbringend für das Stift Rumbeck zu bewirtschaften.
Es gibt – seltene – Fälle, in denen eine solche Pachtnachfolge verweigert wurde. Dann übernahm ein neuer Pächter den Hof und die Familie des verstorbenen Pächters stand vor der Frage, in den Dienst des neuen Pächters zu treten – falls dieser zustimmte – oder auszuziehen.
Der umsichtigen Wirtschaftsführung der Rumbecker Pröpste gelang es, aus dem ehemals „pauperen“ = armen Stift Rumbeck ein gut fundiertes landwirtschaftliches Unternehmen mit mehreren Pachthöfen zu schaffen.
Nach der Säkularisation im Jahr 1804 verkaufte die Landgrafschaft Hessen-Darmstadt (ab 1806 Großherzogtum Hessen) diesen landwirtschaftlichen, schuldenfreien Besitz mit Gewinn.

Der Rumbecker Wald erstreckte sich im Gebiet von Uentrop bis Oeventrop auf beiden Seiten der Ruhr. Waldpflege – wie sie uns heute geläufig ist – kam erst nach der Säkularisation durch die Hessen und nachfolgend die Preußen auf.
Bis dahin diente der Wald der – ziemlich ungeordneten – Gewinnung von Bau- und Brandholz, der Jagd und vor allem der Fütterung der Schweine bei Eichelmast.

Seit Jahrhunderten kannte man die Institution der Marken (landwirtschaftliche Nutzflächen, Wald, Bäche, Flüsse, Steinbrüche usw.) und der Markgenossenschaften. Der Markwald ist ein Waldgebiet, das von den Bewohnern mehrerer Orte oder Höfe gemeinsam bewirtschaftet wird. Er ist ein Teil einer gemeinsamen Gemarkung, der Markgenossenschaft. Dem Markgenossen stand ein anteiliges Nutzungsrecht an der Mark zu; er konnte seinen Anteil an der Marknutzung aufgrund und entsprechend der Größe des Ackerlandes in der Feldflur geltend machen. Die Markgenossen hatten das Recht, im Markwald Holz zu schlagen (Bau-, Nutz- und Brandholz), ihr Vieh im Wald weiden zu lassen (Viehtrift (Hude) zum Grasen der Kühe, Rinder und Kälber) und das Recht auf die wichtige Eichelmast (bei der Schweine zur Fütterung in die Wälder getrieben wurden) und ähnliche Berechtigungen (Entnahme von Streu, Plaggen = Erdsoden u.a.m.).
Zur Dinscheder Mark zählten die drei Dörfer Dinschede, Glösingen und Oeventrop. Als das Stift Rumbeck Höfe in diesen Ortschaften erworben hatte, denen die Mark-berechtigung zustand (Dinschede: Bause und Sonntag, Glösingen: Weber und Necker-Schmidt, Oeventrop: Hachmann, Raulff, Schwinebrock und Siepen), wurde es Markgenosse mit allen Berechtigungen. Diese wurden in „Echtwerken“ („Echtwort“) ausgewiesen, die mit dem Besitz des Hofes unablöslich verbunden waren. Fast zwangsläufig wurde der jeweilige Rumbecker Propst („Herr Prälat“) zum „Holzrichter“ ernannt, der den Vorsitz im „Holzgericht“ („Holzding“) inne hatte, das alle die Mark betreffenden Angelegenheiten am Tage der „Mastsetzung“ behandelte. Auch in den Marken Schwiedinghausen und Hüsten war der Rumbecker Propst „Holzrichter“, da Rumbeck durch seinen Hof Odenhausen/Udenhusen/Ausserhof Markgenosse war. Rumbeck standen 16 (von 187) Echtwerke zu; ein Echtwerk hatte die Größe von 12 Morgen.
In der Wennemer Mark hatte Rumbeck über den Hof Flinkerbusch in Freienohl ebenfalls Markgerechtigkeiten.

Obwohl den Markgenossenschaften kein Jagdrecht zustand, durfte das Stift Rumbeck von Anbeginn die „niedere“ Jagd „diesseits und jenseits der Ruhr“ mit Hunden und „Manchgarn“ (= Fangnetze) auf Niederwild bis zur Größe von Jungrehen ausüben. Dieses Rechts setzten mehrere Pröpste in gerichtlichen Verfahren durch und behielten es bis zur Säkularisation 1804.

Der Großteil des Rumbecker Klosterwaldes stand östlich vom Stift rechts und links vom „Mühlenbach“, früher „Rurabeke“ (= Bach zur Ruhr) genannt, mit Bezeichnungen wie „Knippenberg“, „Hopfenberg“, „Stierskopf“ sowie im „Damberg“ jenseits der Ruhr.
In diesen Waldungen wurde z.B. das Bauholz für die aufwendigen Rumbecker Bauten geschlagen, welche die Pröpste im 17. Jahrhundert errichteten. Die Wälder dienten auch dem Feuerholz für die vielen Öfen in den verschiedenen Wohngebäuden des Stiftes.

Schon früh legten die Rumbecker Pröpste Fischteiche an, die von der „Rurabeke“ gespeist wurden. Diese waren lebensnotwendig, weil die Ordensregel des Hl. Norbert, Gründer des Prämonstratenserordens, ursprünglich strengste Enthaltsamkeit von allen Fleischspeisen und vom Gebrauch tierischen Fettes verlangte. Erst Papst Pius II. beschränkte im Jahr 1460 das Fleisch- und Fettverbot auf die Advents- und Fastenzeit.
So ist verständlich, dass das Stift Rumbeck einerseits seine Fischteiche hegte und pflegte und andererseits seine Fischereirechte in der Ruhr (im Bereich der Rumbecker Ländereien und im Bereich des Rumbecker Hofes Odenhausen in Hüsten) heftig verteidigte und selbst päpstlichen Schutz gegen Angriffe aus Arnsberg, Hüsten und Neheim anrief und zugesprochen bekam.
Um nicht in den Jahreszeiten von Wasserstand des Baches abhängig zu sein, legte das Stift Rumbeck im oberen Teil des Mühlbachtales einen Teich an, der sein Wasser nicht aus dem Bach, sondern durch das Einsammeln von Oberflächenwassers mittels Hanggräben aus dem quellreichen Westhang erhielt. Es wurde in einer Art Obergraben gesammelt und durch eine Rigole (= aus Steinen erstellter Durchfluss) unter dem Waldweg dem Teich („Regenrückhaltebecken“) zugeführt. Durch diese Anlage war eine zusätzliche vom Mühlenbach unabhängige Wassergewinnung, -haltung und –regulierung mögich.
Eine ähnliche – noch funktionierende – Anlage ist in Deutschland nur im Kloster Maulbronn bekannt.
Einen weiteren großen Teich legte das Stift Rumbeck ebenfalls im Mühlbachtal an und zwar oberhalb der heutigen Schützenwiese. Hinter einem hohen Erddamm staute sich das Wasser des Mühlenbaches wie ein See in das weitläufige Tal zurück. Erst bei der Anlage der Straße zur Hellefelder Höhe (nach 1804) wurde der Damm aufgebrochen und damit der Teich trocken gelegt. Danach grub sich der Mühlenbach tief in die Erde ein.
Später erkannten die Pröpste, dass man das Wasser aus den Rumbecker Wäldern zusätzlich nutzen konnte. Sie legten um 1750 fünf weitere Teiche an, mit deren Wasser man das ganze Jahr über - also selbst bei Trockenheit – die Mühlen betreiben konnte. Denn sie hatten eine Mahl- und Ölmühle für das Getreide der Rumbecker Höfe sowie eine Sägemühle zu Bearbeitung der in den eigenen Wäldern geschlagenen Eichen- und Buchenstämme errichtet und eigens einen Müller eingestellt.
Diese frühindustrielle Fertigung ergänzten die Pröpste, vor allem Propst Arndts (1746 bis 1754), durch den Bau eines Eisenhammers unterhalb Rumbecks an der Ruhr. Hier wurde Roheisen verarbeitet. Das Wasser des Mühlenbaches wurde auf ein großes Wasserrad geleitet, das eine lange hölzerne Welle antrieb, an deren Ende ein großer Hammer befestigt war. Mit seiner Kraft wurden glühende Eisenblöcke z.B. zu Radreifen für landwirtschaftliche Wagen geformt.
Zur Verhüttung des Roheisens benötigte man sehr viel Holzkohle (Steinkohle war noch unbekannt), hergestellt aus Buchenholz. Es hatte in den Rumbecker Wäldern schon immer Köhler gegeben, die aus dem Sauerland zugezogen waren. Sie steigerten die Produktion von Holzkohle und brachten sie „karrenweise“ zum Eisenhammer.
(Zur gleichen Zeit lieferte die Stadt Arnsberg an die Eisenhütte in Warstein 15.000 Wagen Holzkohle, hergestellt im städtischen Buchenwald.)
Eine weitere kleinere industrielle Fertigung baute das Stift Rumbeck am Anfang des Mühlbachtales auf: eine „Aschenhütte“, in der Holz zu Asche verbrannt wurde. Diese wurde dann in großen Töpfen („Pötten“) mit Wasser vermengt und – unter erheblichen Holzverbrauch – eingedampft. Das Ergebnis, die „Pottasche“, fand zum einen Verwendung bei der Herstellung von Glas (eigene Glashütte) und wurde zum anderen verkauft an klostergebundene Seifenhersteller und Tuchfärber.
Zwei zusätzliche „Betriebe“ richteten die Rumbecker Pröpste im 16. Jahrhundert ein: zum einen eine Leinwandbleicherei. Voraussetzung für deren Tätigkeit war, dass genügend Leinwand zum Bleichen vorhanden war. Also wurde im Stift in einem aufwändigen Arbeitsgang zunächst Leinwand durch Spinnen und Weben aus selbst geernteten Flachsfasern hergestellt. In großen Bottichen, gefüllt über ein Schöpfrad mit Wasser aus dem inzwischen umbenannten „Mühlenbach“, wurde in der „Bleiche“ unter Zugabe von Natronlauge unerwünschte Färbungen der Leinwand entfernt.
Zum anderen: Mittels einer Hohlspindel mit einem Drallhaken stellte man durch Verdrehen mehrerer Garne reißfesten Zwirn her, der teils in der eigenen Stick- und Schneiderwerkstatt bei der Herstellung von Messgewändern und Paramenten (= Stoffgegenstände für gottesdienstliche Zwecke) verwendet, teils mit Gewinn verkauft wurde.

Für diese industriellen Tätigkeiten reichte die frühere „Belegschaft“ nicht aus. Man stellte zusätzliche Arbeitskräfte ein.

Nicht nur die landwirtschaftlichen Gewinne, sondern auch die Erlöse aus der „frühindustriellen“ Fertigung vermehrten das Einkommen des Stiftes Rumbeck, das bei seiner Säkularisation im Jahr 1804 – im Gegensatz zu anderen aufgehobenen Klöstern und Stiften – nicht nur schuldenfrei war, sondern Gelder gewinnbringend angelegt hatte – sogar im „Ausland“ wie z.B. in Soest.
Das Stift Rumbeck wurde nach fast 825 Jahren aufgelöst. Die Schwesterngemeinschaft durfte bis zum Ableben der letzten Schwester in ihrem Stift in Rumbeck wohnen.

Die hessische Regierung kassierte in Rumbeck Ländereien und Höfe, industrielle Fertigung, Bargeld und finanzielle Anlagen. Die Ländereien und der Eisenhammer wurden zunächst in Erbpacht vergeben, später verkauft. Der Wald wurde zum größten Teil „Staatsforst“.

Die meisten der aus dem Klosterdienst entlassenen Bediensteten lebten nach einem Bericht des ersten hessischen Oberförsters Meyer „in den (Rumbecker) Wäldern als wie die Tiere“ (vermutlich in Erdhütten). Nur langsam gewöhnten sie sich in Rumbeck als „Kötter“ oder in der Umgebung als „Tagelöhner“ in das karge Alltagsleben ein.

Fritz Timmermann

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